Wann hast du zum ersten Mal gespürt, dass du einen „Kinderwunsch“ hast?
Den bewussten Wunsch hatte ich nicht, aber ich konnte mir gut vorstellen, Kinder zu haben. Sie waren für mich aber keine Bedingung für das weitere Bestehen der Beziehung. Vielmehr hatte ich Angst vor der plötzlichen Verantwortung.
Wie hast du eure 1. Fehlgeburt empfunden und erlebt?
Plötzlich war da eine Leere zwischen mir und meiner Frau, da wir beide mit dem Verlust nicht umzugehen wussten. Durch die Fehlgeburt wurde mir bewusst, wie sehr ich mich doch auf ein Kind gefreut hatte. Zudem gibt es keine Erfolgsgarantie, am Ende entscheidet jemand anderes wie es ausgeht. Das ist irgendwo auch gut so aber auch ein Kontrollverlust und schwer anzunehmen.
Was ist aus der Zeit im Kinderwunschzentrum heute noch präsent, welche Erlebnisse, Gedanken, Gefühle…?
Mein erstes Spermiogramm bei einem Urologen z.B. Das war schon ein komisches Gefühl. Und da die Qualität zu wünschen übrigließ, entwickelte sich ein Schuldgefühl. Ich fragte mich, ob z.B. meine Rennrad-Zeit schuld daran war. Plötzlich habe ich sehr darauf geachtet, mein Notebook nicht mehr in den Schoß zu legen denn es könnte ja die Qualität weiter beeinträchtigen. Das war schon eine verrückte Zeit. Genau wie die Spermienspende im Kinderwunschzentrum. Man kommt da hin, geht in den Raum, darf einen Porno gucken oder durch bunt bebilderte Zeitschriften blättern und dann muss ein gut gefüllter Becher in das dafür vorgesehene Fach gestellt werden. Sowohl das Personal als auch alle im Wartezimmer wissen, was du gemacht hast, wenn du raus kommst – das fühlte sich für mich einfach nicht gut an und war mir auch ein Stück peinlich. Kein Mann gesteht sich gerne ein, dass er es nicht „leistet“ bzw. schafft, auf normalem Weg ein Kind zu zeugen.
Wie hat der unerfüllte Kinderwunsch eure Beziehung beeinflusst?
Die Beziehung hat es sehr belastet. Wir haben uns voneinander entfernt, ich wusste nicht was in meiner Partnerin hervor geht.
Ich hatte einerseits Mitgefühl mit meiner Frau, hatte sie doch den schwereren Part zu tragen. Die ganzen Spritzen, Hormone, Eingriffe. Andererseits hatte ich das Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden und dass wir unseren Schmerz nicht miteinander teilen können. Ich hätte auch manchmal Unterstützung gebraucht und habe Gefühle des Verlusts erlebt. Aber sie war zu stark mit ihrem eigenen Schmerz beschäftigt.
Sex war nicht mehr schön. Nach der Uhr… abliefern müssen. Ich fühlte einen starken Erfolgsdruck, musste funktionieren.
Vielen ist es nicht bewusst, dass der Mann auch betroffen ist. Ich hätte mir auch oft eine Umarmung oder Trost gewünscht. Dabei sollte ich „der Starke“ sein. Aber das konnte ich nicht immer. Ich hatte keinen zum Reden bzw. habe mir niemanden gesucht.
Wer oder was hat dir geholfen mit der Situation umzugehen?
Generell offen mit dem Thema umzugehen z B. gegenüber meinem Arbeitgeber und engen Kollegen. Dem musste ich dann meine Abwesenheiten, wenn ich Termine im Kinderwunschzentrum hatte, nicht lang und breit erklären oder mich in Ausreden flüchten.
Konfrontation – Bei Fragen wie „na wann ist es bei euch soweit, ihr habt doch gerade geheiratet“ habe ich dann spontan gekontert: „Da musst du unsere Ärzte fragen.“
Manches mit einem Augenzwinkern nehmen, dann verliert es das Bedrohliche.
Mein Humor mit meinem Hang zum Sarkasmus hat mir geholfen, zumindest meine Unsicherheit und das Schamgefühl zu überspielen.
Mit einer neutralen Person reden, hätte mir mit Sicherheit sicherlich geholfen. Auf die Idee bin ich damals nicht gekommen, heute würde ich mir da Hilfe suchen.
Was würdest du betroffenen Männern empfehlen?
Rede offen mit deiner Partnerin über die gegenseitigen Gedanken und Gefühle. Der Mann ist selber auch betroffen. Auch der Mann hat Ängste, zweifelt, leidet. Steh zu deiner Angst.
Nimm es deiner Partnerin nicht übel, wenn sie verletzend ist. Akzeptieren und annehmen wie es ist.
Mach den ersten Schritt und rede offen über das Thema auch im Freundeskreis. Dann bekommst du vielleicht eine unerwartete Resonanz und ermutigst dein Gegenüber, sich ebenfalls zu öffnen. Und du erfährst wie viele andere auch ein Kinderwunschthema hatten oder haben. Und wenn dein Freund oder Freundin damit nicht umgehen kann, weiß er/sie aber zumindest was gerade etwas los ist bei Dir.
Lasst euch nicht von den ganzen „Geschichten“ beeinflussen, dass nach Loslassen des Kinderwunsches, die Frau doch schwanger wurde. Solange die Hoffnung mitschwingt, hast du das Thema nicht abgeschlossen. Du kannst deine Psyche nicht austricksen.
Richtet euer Leben nicht ausschließlich nach dem Kinderwunsch aus (Urlaub, Jobs, Umzüge…) Das heißt nicht, den Wunsch zu verleugnen aber dennoch sein Leben abgesehen vom Kinderwunsch weiterzuführen.
Nach der Geburt unserer ersten Tochter habe ich alles Erlebte in einem Gedicht verarbeitet, dass unser Kind dann sogar als Lied vertont geschenkt bekommen hat. Auch das war Teil der Bewältigung.
Jetzt bist Du da
Ich hab Dich so sehr ersehnt,
mich einmal schon im Glück gewähnt,
an die Erfüllung unseres Wunsches geglaubt
und dann brutal eines Lebens beraubt.
Dann war da tiefes Leid,
stechender Schmerz und Dunkelheit.
Die tosende Brandung so stark –
das Gesicht nur nach außen gewahrt.
Und jetzt bist Du da –
Dort wo gestern noch Leere war.
Füllst den dunklen, freien Raum
ein endlich wahrgewordener Traum.
Lang war der Weg zurück ans Licht,
eine Garantie fürs Gelingen gab es nicht.
Rückschläge galt es zu überwinden –
immer wieder Hoffnung finden.
Familie und Freunde an der Seite des Wegs,
doch die Angst vor dem Scheitern blieb stets.
Wenn ich heute auf die Jahre zurück seh´
hatten wir nie einen Plan B.
Vorbei ist diese Zeit –
Jetzt genieß´ ich die Dreisamkeit.
Jeder süße Zug deines Atems
Lässt mich vergessen die Zeit des Wartens.
Nun halt ich Dich in meiner Hand,
schau´ Dich an und bin zutiefst gebannt,
von der Liebe, die uns verbindet,
die sich kein zweites Mal mehr findet.
Ich werde Dich begleiten,
Dir einen Weg bereiten,
Dir eine Zukunft geben.
Willkommen im Leben!